Als Strafverteidiger in München verteidige ich auch Fälle der Beleidigung, üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens nach § 188 StGB. Die "Schwachkopf-Beleidigung" gegen Robert Habeck zeigt, dass die Vorschrift zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist es doch in Zeiten von Social Media Plattformen wie X (vormals Twitter), Facebook, Instagram, Bluesky, ... leicht wie nie seine Äußerungen anderen Personen zugänglich zu machen: Im Frühjahr 2024 soll ein 64-jähriger Mann aus Unterfranken auf der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) ein Bild von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geteilt haben. Auf diesem Bild war Habeck mit dem Schriftzug "Schwachkopf PROFESSIONAL" zu sehen. Dies führte zu einer Hausdurchsuchung bei dem Beschuldigten, die bundesweit für Aufsehen sorgte. Die Staatsanwaltschaft Bamberg beantragte einen Durchsuchungsbeschluss aufgrund eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung.
I. Die rechtliche Grundlage: § 188 StGB im Detail
§ 188 StGB stellt eine Verschärfung der allgemeinen Strafvorschriften zur Beleidigung (§ 185 StGB), übler Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB) dar. Sie zielt speziell auf den Schutz von Personen ab, die im politischen Leben stehen. Es handelt sich nicht um eine bloße Strafschärfung, weil die Person im politischen Leben des Volkes steht, sondern die Strafschärfung tritt nur dann ein, wenn die üble Nachrede oder die Verleumdung öffentlich oder in gleichwertiger Art begangen worden ist. Zudem muss die Tat aus Beweggründen begangen werden, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen. Ferner muss die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken der Person erheblich zu erschweren. § 188 StGB ist daher von vornherein nicht einschlägig, wenn die Tat nicht geeignet ist, dass öffentliche Wirken des vermeintlich Geschädigten erheblich zu erschweren. Dies ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls festzustellen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.11.1955 – 1 BvL 120/53 zu § 187a StGB). Die Vorschrift zielt darauf ab "die Grundlage der Demokratie" zu schützen, weil politische Auseinandersetzungen, die eine üble Nachrede oder Verleumdung darstellen, die Freiheit des politischen Handelns gefährden würden (BT-Drs. 19/16401, S. 9).
§ 188 StGB - Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung:
(1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(2) Unter den gleichen Voraussetzungen wird eine üble Nachrede (§ 186) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und eine Verleumdung (§ 187) mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
II. Tatbestandsmerkmale des § 188 StGB
Um die Anwendbarkeit des § 188 StGB zu verstehen, ist es wichtig, die einzelnen Tatbestandsmerkmale genau zu betrachten:
Person des politischen Lebens: Der Geschädigte muss eine im politischen Leben des Volkes stehende Person sein. Dies sind gewählte Politiker auf Bundes- und Landesebene ebenso wie Politiker der Bezirks- und Kommunaleben.
Öffentlichkeit: Die Tat muss öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts begangen werden. Öffentlich ist eine Äußerung dann, wenn diese von einem größeren und nach Anzahl und Zusammensetzung nicht bestimmten und nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden kann (vgl. RGSt, 38, 207, 208). In Zeiten sozialer Medien ist dieses Kriterium oft leicht erfüllt.
Zusammenhang mit der politischen Stellung: Die Beweggründe für die Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung müssen mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen.
Erschwerung des öffentlichen Wirkens: Die Tat muss geeignet sein, das öffentliche Wirken des Betroffenen erheblich zu erschweren.
Vorsatz: Der Täter muss vorsätzlich handeln, also wissen und wollen, dass seine Äußerung eine Person des politischen Lebens in ihrer Funktion trifft.
Neben den Tatbestandsvoraussetzungen muss zudem ein Strafantrag des "Geschädigten" vorliegen oder aber die Staatsanwaltschaft bejaht ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung (§ 194 I StGB). Es handelt sich daher um ein sogenanntes relatives Antragsdelikt.
III. Vorgehen
Sollte eine Hausdurchsuchung wegen § 188 StGB bei Ihnen durchgeführt worden sein, oder Sie haben eine Vorladung zu einer Beschuldigtenvernehmung oder einen Strafbefehl erhalten, können Sie gerne Kontakt mit mir aufnehmen. Gerade § 188 StGB darf nicht vorschnell bejaht werden, denn ebenso wie der Schutz der Politiker an ihrem Wirken ist auch die Meinungsfreiheit ein hohes Gut in der Demokratie, dass es zu schützen gilt.